Buchbesprechung:
Die Sächsische Armee zur Zeit des Deutschen Bundes 1815 – 1867

Im Mittelpunkt der Historiographie zur deutschen Militärgeschichte des 19. Jahrhunderts stand und steht die Armee des Königreichs Preußen. Diese Fokussierung erklärt sich vor allem durch deren Erfolge in den Einigungskriegen 1864, 1866 und 1870/71.


Das preußische Militärwesen wurde zum Vorbild für die übrigen deutschen Staaten, nicht nur für diese, sondern selbst für das fernöstliche Kaiserreich Japan. Vor und nach der Reichsgründung bestimmte Preußen durch Militärkonventionen, ab 1871 durch Artikel 57 bis 68 der Reichverfassung Führung, Gliederung, Ausbildung und Ausrüstung aller Heereskontingente des Reiches. Auch dies erklärt die vergleichsweise geringe Zahl von Veröffentlichungen zur Militärgeschichte der übrigen deutschen Staaten.

Für das Königreich Sachsen hat jetzt Wolfgang Gülich, Brigadegeneral a. D., mit seinem Buch über die Sächsische Armee in der Zeit des Deutschen Bundes insoweit eine Lücke geschlossen. Diese Neuerscheinung schließt an Gülichs Buch über die Sächsische Armee in der Zeit Napoleons an (2. Auflage, Beucha 2008).

Der Verfasser schildert eingehend die Veränderungen der Armee des nach dem Wiener Kongress 1815 mehr als halbierten Königreiches zwischen 1815 und 1867. Als Mitglied des Deutschen Bundes stellte Sachsen zum Bundesheer nur noch ein Kontingent in Divisionsstärke. Dies ließ wenig Raum für eigenständige Entwicklungen, es gab zum Beispiel keinen sächsischen Generalstab.
Auf der Grundlage sorgfältiger Recherchen wird die Sächsische Armee vom Ende der napoleonischen Kriege bis 1867 mit ihren sich regelmäßig ändernden Gliederungen, zum Teil bis in die Ebene der Kompanie, den Namen wichtiger militärischer Führer, Ausrüstung, Ausbildung, Rekrutierung und Sozialstruktur beschrieben.

Die Armee des Königreichs kam in dem genannten Zeitraum wiederholt zum Einsatz, zunächst bei den Unruhen im Revolutionsjahr 1848. In Sachsen waren die sozialen Spannungen aufgrund der frühen Industrialisierung und der liberalen Ideen im Bürgertum groß. Wie in Österreich, Preußen sowie den meisten anderen deutschen Staaten bekämpfte die Armee vor allem in Leipzig und Dresden Aufständische. Zu einem „Observationskorps“ des Deutschen Bundes mussten 6.000 Soldaten gestellt werden, mit dem unter Führung Preußens die Aufstände in Baden und in der Pfalz niedergeschlagen wurden. Gülich schildert die militärischen Aktionen nicht isoliert, sondern zeigt die Zusammenhänge mit den sozialen Problemen, der nationalen Frage sowie deren Auswirkungen auf die Truppe auf.

Im Jahre 1849 kam es in Schleswig-Holstein zu einem Einsatz des sächsischen Bundes-Kontingents gegen Dänemark. Für diesen Feldzug werden Gliederung, Ausrüstung sowie Verlauf der Kampfhandlungen mit großer Detailgenauigkeit geschildert. Dies gilt auch für den Krieg von 1864, wiederum gegen Dänemark, in dem sächsische Truppen die Sicherung der ostholsteinischen Küste gegen eine mögliche dänische Landung übernahmen.

Besonders ausführlich widmet sich Gülich der Darstellung des Deutsch-Deutschen Krieges 1866, einschließlich der politischen Vorgeschichte und die Machtkonstellation bei Kriegsbeginn. Österreich hatte am 14. Juni 1866 die Mobilmachung der Klein- und Mittestaaten, also auch Sachsens, im Frankfurter Bundestag durchgesetzt.

Der Krieg 1866 wurde und wird in Deutschland bisher weitgehend aus der Sicht Preußens und der damit erreichten Voraussetzungen für die Reichsgründung beschrieben. Gülich wählt dagegen die Perspektive der deutsche Mittelstaaten, soweit sie 1866 Gegner Preußens waren. Das Königreich Sachsen und seine Armee stehen dabei aus nahe liegenden Gründen im Zentrum seiner Darstellung.
Vor den überlegenen Preußen räumte die Sächsische Armee das Gebiet des Königreiches und wich nach Böhmen aus, um sich dort mit den österreichischen Verbündeten zu vereinigen, was die Niederlage bei Königgrätz nicht verhindert konnte. Der Verlauf des Feldzuges, die Bewegungen der Truppen, Führungs- und Versorgungsprobleme werden ausführlich beschrieben.

Mit der Niederlage und der Militärkonvention mit Preußen vom 9. Februar 1867, spätestens mit der Reichsgründung und Reichsverfassung von 1871 fand die Selbständigkeit und Unabhängigkeit der Sächsischen Armee weitgehend ihr Ende.

Durch Gülichs Buch erfährt diese Armee ihre verdiente Aufmerksamkeit und Gerechtigkeit. Seine breit angelegte Darstellung mit allen Details und Veränderungen zwischen 1815 und 1867, den Einsätzen, an denen sächsische Soldaten beteiligt waren, ergänzt durch Bilder, Karten sowie gut ausgewählte Quellen und Dokumente im Anhang, ist nicht nur für Fachhistoriker, sondern auch für andere Interessenten von Wert. Es ist das Verdienst von Wolfgang Gülich, dass Sachsen damit aus dem Schatten der preußisch-deutschen Militärgeschichte heraustreten kann.

Dr. Michael Vollert
Oberst a. D.

Wolfgang Gülich: Die Sächsische Armee zur Zeit des Deutschen Bundes 1815 – 1867, Sax Verlag Markkleeberg 2010. ISBN 978-3-86729-052-4, 342 Seiten, € 30.

Im Jahre 2009 hielt Herr Brigadegeneral Gülich vor dem MHAK den Vortrag „Die Sächsische Armee zur Zeit Napoleons – Die Reorganisation von 1810“.

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